Karl, Lilia und die Kunst

In Zeiten wie diesen, wo man viel mehr Muße hat sich im Internet zu tummeln, stolpert man häufig auch über Beiträge, in denen es das Selbstverständnis der Kunst und der Künstler geht. Ich wundere mich da immer, welch teilweises altertümliches, vom vormaligen Establishment geprägtes Bild vor sich her getragen wird. Kunst darf nicht gefällig sein, kommerziell schon gar nicht und wenn man nicht mindestens einen kontroversen Titel für sein Bild hat, ist man auch kein echter Künstler. Da darf man ja keine Bilder malen, die über ein Sofa passen – so ein auf jung getrimmter älterer Herr in einem Interview an Kunststudenten gerichtet – oder an einen zukünftigen Verkaufserfolg denken – der gleiche Künstler, der sich mangels Aufmerksamkeit für seine Bilder mit groß inszenierten Lichtinstallationen beschäftigt.

Kunst und Kommerz schließen sich aus? Eine absurde Vorstellung, als nettes Storytelling entweder von kommerziell erfolgreichen Künstlern in die Welt gesetzt, oder alternativ von erfolglosen Künstlern, die eine Ausrede für ihre Erfolglosigkeit suchen. Natürlich ist der Sinn eines erfolgreichen Künstlerlebens der kommerzielle Erfolg, denn das ist in der kapitalistischen Gesellschaft in der wir Leben der Applaus der bildenden Künstler, der Maßstab an dem man praktisch in seinem Künstlerleben gemessen wird. Es kann mir keiner erzählen, dass er oder sie nicht stolz und zufrieden ist, wenn endlich seine oder ihre Werke zu vernünftigen Preisen verkauft werden, man endlich seine prekäre Gegenwart gegen ein halbwegs gesichertes Leben tauschen kann. Ich habe das Gefühl, dass dieser Aspekt immer noch unterrepräsentiert an deutschen Kunsthochschulen ist, dass angehenden Künstlern nicht vermittelt wird, das Kunst auch ein Geschäft ist, in dem der Markt das Geschehen bestimmt und nicht die träumerisch idealistischen Vorstellungen von Kunst, mit denen heute teilweise hantiert wird.

Da schreibt ein Künstler aus dem Gängeviertel einen Brandbrief an die vermeintlich reichen Hamburger und beklagt sich darüber dass diese, obwohl Hamburg ja eine reiche Stadt ist, seine Kunst verschmähen und diese – Zitat – nicht einmal für 50 Euro kaufen würden. Er selbst sucht die Schuld bei den anderen, jeder Außenstehende würde sich erstmal fragen ob er da vielleicht die falsche Perspektive einnimmt und andere dafür verantwortlich macht, dass er – im Marktsinn – vielleicht das falsche Produkt anbietet. Das kann jetzt ganz unterschiedliche Gründe haben und muss nicht zwingend damit zusammenhängen, dass vielleicht seine Bilder einfach nur schlecht sind.

Es kann auch einfach sein, dass komplett am Zeitgeist vorbei gemalt wird, ein Problem das viele meine ehemaligen Landsleute – die ansonsten handwerklich hervorragend ausgebildet sind –  haben. Es will  heute keiner mehr Harlekins und Stillleben mit Zitronen kaufen, genauso wenig ist die Masse der Kunstkäufer daran interessiert offensichtlich handwerklich schlechte Bilder zu kaufen. Dazu ist das Internet mit seiner universellen Auswahl zu präsent, der Vergleich zu schnell gemacht. Natürlich kann man Glück haben, oder ist ein begnadeter Geschichtenerzähler der das etablierte Kunst-Blabla aus dem Effeff beherrscht, und man wird trotzdem ein erfolgreicher Künstler, aber gerade bei den Blabla-Künstlern muss man davon ausgehen, dass die eigentliche Kunst die Geschichte ist und nicht das Bild selbst. In dem Moment, wo der kulturelle Kontext und die Geschichte dazu verloren gehen ist dann das Bild im schlechtesten Fall kein Bild mehr, die Frage, ist das Kunst oder kann das weg, wird dann damit beantwortet: Das kann weg.

Das schwarze Quadrat von Malewitsch ist, wenn zum Beispiel in späteren Jahrhunderten mal ein Außerirdischer ohne Wissen des kulturellen Kontextes darüber stolpern würde, schlicht irgendein schwarzes Stück Papier und keine Kunst. Ich versuche meine Bilder so zu malen, dass auch dieser Außerirdische später einmal die Schönheit und das Handwerk dahinter erkennen kann – ohne dass ich mir dazu irgendeine hanebüchene Geschichte ausdenken muss. Eine schlichte Prämisse, die aber auch kommerziell wirkt. Wie häufig höre, dass meine Bilder, auch manchmal nur flüchtig betrachtet, einen bleibenden Eindruck beim Betrachter hinterlassen – völlig ohne dass derjenige dazu irgendeine Geschichte dazu gehört oder gelesen hätte, meine Bilder sprechen für sich selbst und sind deswegen auch kommerziell erfolgreich und trotz, das viele über einem Sofa hängen, Kunst.