Seit zwei Monaten ist meine Werkstattgalerie verwaist, einmal geschlossen aufgrund der behördlichen Anordnungen, jetzt aber auch, weil meine Arbeitsbedingungen in der HafenCity anstrengend werden würden. Ich bin gleich zu Beginn der Krise in mein Landatelier an der Ostsee umgezogen, mitsamt meinen Aufträgen, und kann dort in Ruhe arbeiten ohne an Mundschutz oder Hygienevorschriften denken zu müssen. Auf dem Land, unter blühenden Apfel, Kirsch und Pflaumenbäumen bleibt meine optimistische Inspiration erhalten und eigentlich muss ich mich überhaupt nicht mit irgendeiner Krise beschäftigen.
In der HafenCity müsste ich, trotz dass der Lockdown jetzt zurückgenommen wird, noch Wochen, wenn nicht Monate mit Mundschutz arbeiten, denn, wenn meine Tür offen steht könnten jederzeit Menschen in meine Werkstattgalerie kommen. Und natürlich würde meine Tür offenstehen, ich brauche frische Luft. Und ehrlich: Ich genieße diese Auszeit von der anstrengenden Arbeit im Schaufenster. Ich habe nur sehr selten Urlaub in den letzten fünf Jahren gemacht, teilweise sieben Tage die Woche gemalt – was ich jetzt ehrlicherweise auch mache, aber unter entspannten Vorzeichen. Ich habe das große Glück, das ich mit einer langen Liste von Aufträgen in den Lockdown gegangen bin und selbst während dieser für alle schweren Phase noch Anfragen bekomme und eines von meinen zwei fertigen Bildern verkauft habe, doch ich merke auch das schwere Zeiten auf alle zukommen.
Ein Wochenende Mitte Mai ist da mein Beispiel, ein Wochenende wo sonst die HafenCity vor Besuchern überquellen würde, weil, es wäre jetzt Hafengeburtstag. Nur ein Bruchteil der Passanten ist trotz schönem Wetter am Flanieren, meist bestimmen Nachbarn das Bild. Fast könnte man meinen ein neuer G20-Gipfel steht wieder vor der Tür. Ich könnte diese Ruhe genießen, so wie ich sie auf dem Land genieße, aber irgendwie passt sie nicht zur sonst lauten HafenCity. Aus der Ferne habe ich die Durchhalteparolen und „Kopf hoch“-Anfeuerungen für die Gastronomen und Kulturschaffenden verfolgt, tatsächlich befürchte ich aber Schlimmes – und zwar nicht in der aktuellen Situation, sondern in der Folge für viele, wenn die letzten Rücklagen aufgebraucht sind. Um hier nicht allzu politisch zu werden: Die Krise hat insofern auch etwas Gutes als das unserer eigentlich gut funktionierenden Gesellschaft noch einmal der selbstkritische Spiegel vorgehalten wird. Für viele Künstler ist auch in guten Zeiten das tägliche Leben ein Balanceakt, in kritischen Zeiten bleibt dann aber nur noch die Grundsicherung. Der Kick für die Digitalisierung ist leider für die Kunst nur ein mäßiger Ersatz, das Internet ist ein gigantischer Dschungel in dem so mancher schlicht sich nicht nur verloren vorkommt, sondern auch verloren geht. Gibt es keine Messen, Ausstellungen und offene Galerien nützt es einem Künstler nichts, irgendwo im Internet präsent zu sein, der lokale Kontext geht komplett verloren und man tummelt sich im Meer von Millionen anderen Künstlern weltweit und muss sich schon wirklich viel Mühe geben dort aufzufallen.
Zurück zu meinem eigentlichen Anliegen: Mir geht es gut, ich arbeite an neuen Bildern und Aufträgen, aber eben nicht in der HafenCity sondern in der Villa Lilia an der Ostsee. In der HafenCity gibt es im Moment leider nur das wenige fertige zu sehen, was ich schon vor der Krise dort hatte – und es wird immer weniger, doch bald komme ich mit neuen Bildern von der Ostsee zurück.