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Lilia Nour

Was ist Kunst? Und vor allem: Was ist Kunst heute und welche Aufgabe hat ein Künstler? Diese Frage stellt sich wohl jeder Künstler in seinem Leben – hoffentlich! Für mich hat meine Kunst zwei Aspekte. Einmal den ästhetischen, schmückenden Part, der bei dem Kunst von Können kommt, vom beherrschen von Material und Komposition. Das dabei das Sujet und die Technik nebensächlich sein können sieht man bei meinem Vorbild Gerhard Richter, dessen Werke, sowohl die Abstrakten als auch die Gegenständlichen, der souveräne Umgang mit Farbe und Material gemeinsam ist, bei deren Sujets er in den konkreten Bildern aber auch das Banale nicht scheut. Die meisterhafte Übertragung auf die Leinwand macht aus dem Banalen das Großartige, etwas dass die Zeiten und Moden überdauert.

Er sagt aber auch, dass man heute die Kunst nicht mehr lehren kann, dass das Verständnis von Kunst heute soweit dekonstruiert worden ist, das Kunst in den Hochschulen immer mehr zu einer Psychotherapie der Studierenden verkommt, in der es mehr um Befindlichkeiten als um Beherrschung von Technik geht. Der internationale Erfolg der Leipziger Schule wird nicht umsonst den Umständen zugeschrieben, dass hier die letzten echten deutschen Maler ausgebildet wurden und die Sehnsucht der Menschen nach echter Kunst in all ihren Aspekten größer ist als alle Modeerscheinungen.

IMG_1421-218Mit den Sehnsüchten der Menschen näher ich mich dem zweiten Aspekt der Kunst, dem gesellschaftlichen Auftrag der der Kunst innewohnen kann. Zur Zeiten der alten Meister spielte dieser Aspekt noch keine große Rolle, meist diente die Kunst eher egoistischen Motiven der Auftraggeber, sollte die eigene Grossartigkeit transportieren. Doch schon in den sakralen Werken war auch eine Botschaft an die Menschen vorhanden, sei es als Transportmittel der Botschaften der Bibel in einer weitgehend analphabetischen Welt, oder auch zur Unterstreichung von Ehrfurcht einer allmächtigen Kirche. Doch auch damals diente die Kunst auf eher niedriger Ebene auch zum Transport von Botschaften in Form von Moritaten die den einfachen Menschen auch kompliziertere Sachverhalte näher bringen konnte. Erst die Renaissance und später die industrielle Revolution verschaffte den Menschen die nötige Zeit und gedankliche Freiheit sich ausmalen zu können, was besser, was erstrebenswert sein könnte, der Horizont erweiterte sich und mit ihm brachte die Kunst Kunde von fernen Ländern und anderen Lebensumständen.

IMG_9337-113Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit, der Traum von einem besseren Leben bewegte die Massen und gipfelte letztlich in den Gegenpolen Kapitalismus und Kommunismus, beide möglich gemacht durch die technische Entwicklung, beide beseelt von Utopien in denen zum einen die Zusammenarbeit der Menschen und zum anderen der Fortschritt innerhalb einer bestehenden letztlich überkommender Gesellschaftshierarchie. Der erste Weltkrieg schuf den Boden für die Utopien in beiden Systemen, die sich auch in der damaligen Kunst widerspiegelten, der zweite zerstörte dann ebenso radikal in beiden großen Systemen die echte Utopie, die Visionen die die Massen bewegten und ersetzte sie, im Kapitalismus zunächst sichtbarer als im Kommunismus durch das persönliche Streben nach Wohlstand. Solange die Fronten klar waren, reichten die spärlichen Visionen und der technische Fortschritt um den Menschen den Blick nach vorne zu ermöglichen, doch mit Auflösung der Blöcke und einem zunehmend technisierten Alltag gingen der Menschheit die verbindenden vorwärtsgerichteten Visionen verloren.

IMG_7798-70Die Menschen suchen ihr Heil in rückwärts gerichteten Ideologien und Religionen, der häufig unverständliche Kontext der modernen Gesellschaft wird durch fundamentalistische Ideologien ersetzt, Denkmodelle die wenigstens feste Regeln anbieten und eigenes Denken durch Dogmen ersetzen. Die Kunst bietet da heute allenfalls Kritik an und wenig Ideen, ja in weiten Teilen entzieht sie sich jeglicher Bewertung der Gegenwart und begibt sich in die Reise ins Innere der jeweiligen Protagonisten, mal gegenständlich wie bei Neo Rauch, noch häufiger werden mangelnde Fähigkeiten aber abstrakt verbrämt. Es geht mir hier, um das klar zu stellen, nicht um ökonomische Notwendigkeiten in der Kunst, die zum Beispiel in Hamburg dazu führen, das fast jeder Künstler Hamburgensien im Repertoire hat, es geht um das Kernwerk abseits von Auftragsarbeiten.

IMG_7829-101Aus dieser Perspektive erklärt sich meine Faszination für die russische Avantgarde – natürlich nicht die einzige Richtung und Zeit in Kunst nicht nur Stellung nahm, sondern aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitwirkte – es ist aber die, die mir durch meine Sozialisation am nächsten ist. Sie war der sichtbare Ausdruck einer Gesellschaft die eine Vision hatte, etwas dass der heutigen Gesellschaft fehlt. Eigentlich unverständlich, bieten doch Technik und Fortschritt ungleich mehr Möglichkeiten und sind die Herausforderungen durch Klimawandel und schwindende Ressourcen groß genug, um gemeinsam statt gegeneinander an einer schönen Zukunft für alle zu arbeiten. Die Kunst und die Künstler können dazu mehr beitragen als lustige Katzenvideos im Internet, gerade die Kunst sollte die Fantasie entwickeln können die scheinbar heute fehlt und ihren Teil zu einer neuen gemeinsamen Vision beitragen.