Ein Hafenbild
Lilia Nour by Henriette Mielke
Lilia Nour by Henriette Mielke

LILIA NOUR

Es ist ein weiter Weg, den die tatarische Künstlerin Lilia Nour hinter sich hat. Aus dem fernen Kazan, der Hauptstadt der russischen Republik Tatarstan – vielen bekannt aus Jules Vernes „Kurier des Zaren“ und wegen seiner erfolgreichen Eishockey- und Fußballmannschaft – hat es die Künstlerin über St.Petersburg in den Westen gezogen, nach Hamburg und dort in den direkt am Wasser gelegenen Stadtteil HafenCity mit seinen modernen Bauten und den dazu in Kontrast stehenden alten Backsteinlagerhäusern der Speicherstadt. Mit seinen Wasserflächen ist Hamburg ihrer vorherigen Heimatstadt St.Petersburg sehr ähnlich und sie liebt es die inspirierenden Reflexionen des Wassers an den alten Backsteinwänden und den Glasflächen der modernen Fassaden zu beobachten. Kontraste bestimmen auch ihr Werk, ihr wandern zwischen den Welten beeinflusst ihr Arbeiten. Von der islamisch geprägten Kultur Kasans, der opulenten orthodox und nüchtern sozialistischen Kunst Russlands, inspiriert durch die Werke Indiens, Vietnam und Japans bestimmen jetzt auch die Hafenkultur Hamburgs ihr Schaffen. Dabei lässt sie sich nicht festlegen. Immer wieder kehrt sie auch zum Kern ihres Schaffens zurück um den Fokus wieder zu finden. Drei große Kontraste manifestieren sich dabei: Ihre große Leidenschaft sind die 20er und 30er Jahre in Russland, eine Zeit des Aufbruchs und der großen Ideale, die Zeit in der die russische Avantgarde ein gewaltige und eindrucksvolle Bildsprache entwickelte. Faszinieren tut sie dabei nicht die Ideologie die dahinter stecken mochte, sondern der Enthusiasmus, in der noch frisch vom Joch des Absolutismus befreite Künstler ihre Zeit beeinflussen wollten.  Künstler wie Wladimir Wladimirowitsch Majakowski und Alexander Michailowitsch Rodtschenko sind Vorbilder, von denen Rodtschenko auch seine prägende Zeit in ihrer Geburtsstadt Kazan verbrachte.

Ihre zweite Linie ist dem Zen gewidmet, dort findet sie die Ruhe die sie nach aufregenden Erlebnissen und aufreibendem Schaffen braucht. Über diese Bilder sagt sie selbst: „Meine Bilder schweigen. Sie erzählen keine Geschichten, beschreiben keine Ereignisse, fordern nichts vom Betrachter. Sie entstehen in Stille. Sie sind ein Produkt des “Nichtstuns” nach Zen-Philosophie. Das heißt: etwas machen ohne wirklich aktiv zu sein“. Sie lässt sich dabei in diesen Werken von fundamentalen Zen-Prinzipien leiten. Auf einzigartige Weise schafft sie es dabei die Form mit der Leere in Einklang zu bringen und genau zu erspüren wann das „Gesagte“ ausreichend ist. Das Sichtbare ist somit unzertrennbar mit Freiräumen verbunden und erweckt den Eindruck der „wunderbaren Inhaltslosigkeit“.

Lilia Nour
Lilia Nour

Und natürlich hat in ihrer dritten Linie ihre neue Heimat einen Platz gefunden: Aus ihrem Atelier in der Speicherstadt hat sie beeindruckende Sichten auf Hafen, Wasser und Schiffe – es wäre seltsam, wenn sich diese Umgebung nicht auf ihre Arbeit niederschlagen würde. Dabei ist trotzdem in allen Werken und Linien Lilia Nour zu erkennen: Ihre beeindruckenden technischen Fertigkeiten, die Vielseitigkeit der Pinseltechniken, voll mit feiner Eleganz bis hin zu rauer Vitalität. Mal arbeitet die Künstlerin akribisch jedes einzelne Detail aus, mal deutet sie nur die groben Umrisse und Formen an, deren Architektur von „lenkbarer Zufälligkeit“ bestimmt wird – zerzausten Pinselborsten und unregelmäßiger Leinwandfaktur. Die Handbewegungen der Künstlerin scheinen noch voller Kraft zu sein nachdem der Strich bereits gesetzt wurde. Die Linien machen den Eindruck komplett ungezwungen entstanden zu sein. Sie sind voller Leben und Spontaneität, mit zufälligen Farbspritzern und Farblücken durch Schwünge grober Pinsel. Die Motive scheinen sich dem Zeitfluss komplett entrissen zu haben. So entsteht mit jedem Werk der Malerin ein harmonischer Ruhepool in der Hektik des Alltags. Durch die klassische künstlerische Schule hat Lilia Nour ihre fundierten Kenntnisse in der Malkunst erlangt und sich jahrelang intensiv mit den Maltechniken und Materialien der alten Meister befasst. Die ausgeprägte Neugierde und Experimentierfreude verhalf ihr im Lauf der Zeit zu innovativen Techniken, einzigartigen Farbmischungen und -kombinationen.

Zentrum ihrer Arbeit ist dabei das große Atelier in der Speicherstadt. In einem historischen Speicherboden hat sie den notwendigen Platz für ihre in der Regel großformatigen Werke gefunden. Auf dem 4.Boden – so heißen die Etagen in den alten Warenhäusern, die 2015 zum Weltkulturerbe erklärt werden sollen findet sie die Ruhe aber auch die Inspirationen für ihre Gemälde. Aus den beiden Luken blickt sie zur einen Seite auf die Speicherstadt und ihre Fleete, zur anderen Seite auf die Altstadt mit Zollkanal und der markanten Skyline Hamburgs mit Michel, Katharinenkirche und Rathaus. Unterbrochen wird die Ruhe des Speichers durch das Tuten der Barkassen, mit denen die unzähligen Touristen Hamburgs die Fleete und den Hafen Hamburgs erkunden oder durch das Geräusch der Winden, mit denen die noch immer ansässigen Teppichhändler ihre Waren in die Luken befördern.

Lilia Nour (*1972 in Kazan) Künstlerin, Designerin und Fachrestauratorin, studierte an der St. Petersburger Stieglitz-Akademie bei Isaew, Shuwalow und Shamanow. Wie bereits ihre frühe Ausbildung an der Kunsthochschule in ihrem Heimatort Kasan / Tatarstan, schloss Lilia Nour ihr Studium als Jahrgangsbeste ab. Als Fachrestauratorin arbeitete sie am bedeutenden Eremitage-Museum, St.Petersburg.

Pyramide 1
Pyramide 1

 

Events

2013 – Horses & Dreams – Osnabrück

Kurator

2014 – Euregio Musikfestival
2015 – Euregio Musikfestival

Exhibitions

2022 “The Divine Agent” – Contemporary Art Platform Kuwait
2016 “Deutschland unter die Haube” – Deutsches Verkehsmuseum Dresden
2015 “Deutschland unter die Haube” – Cap San Diego/MS Stubnitz
2014 “Golden Dinner” – Brandshofer Deich
2014 Dauerausstellung Oberhafenkantine
2013 “L´Accrochage” – Fotografie.Malerei.Skulpturen – OnOff Galerie
2012 “Fashion” – Etage 1
2011 “Asia” – Sehkunst
2011 “Live” – TempGallery
2009 “Bauart Jahresausstellung” – Bullerdeich
2009 “Neue Werke für den engen Freundes-Kreis” – Pickhuben
2003 “Countryside” – Ammersbek

2000 St.Pauli Kirche mit Kirill Miller

1997 “Fresh” – Rathaus Wandsbek