Nun heißt es Abschied nehmen von der Speicherstadt: Nach acht Jahren rustikalem Künstlerdasein auf den Brettern der alten Backsteinmauern der Hamburger Speicherstadt beginne ich mit einem für mich völlig neuem Raumerleben. Hohe Decken, ein Riesenschaufenster – nicht zu vergessen eine ordentliche Heizung und nur eine Tür von meiner Wohnung entfernt – waren eine zu große Verlockung, als das ich ihr widerstehen hätte können.
Wie nennt man so ein Kind? Galerieatelier? Werkstattgalerie? Schauatelier? Studiogalerie? Eine schwierige Frage, befinden sich meine neuen Räumlichkeiten doch in einer der neuen Hamburger 1A-Lagen in unmittelbarer Nähe zur Elbphilharmonie. Ein ganz neues Arbeitserlebnis kommt auf mich zu. Statt der relativ kontemplativen Atmosphäre auf dem Speicherboden, auf dem ich wie aus dem Elfenbeinturm auf die Touristenströme niederblickte, die täglich und besonders an den Wochenenden die Speicherstadt bevölkern, gibt es jetzt hautnahen Kontakt zu den Passanten mit Arbeiten auf dem Präsentierteller.
Diese Situation ist nicht ganz neu für mich, kenne ich doch solche Aktionen aus der temporären Bespielung von leerstehenden Ladenflächen. Und doch – es schon etwas anderes in einer rohen Gewerbefläche mit nur wenigen Mitteln für ein paar Wochen zu arbeiten, als – so wie jetzt und zukünftig – ein komplettes Atelier mit sechs Meter hohen Schaufenstern und ebensolchen Wänden immer zur Verfügung zu haben – und auch zur Verfügung zu stehen. Dabei ist eine dieser enorm hohen Wände komplett meinem Material und Werkzeug vorbehalten – ein Kunstwerk für sich und in den obersten Etagen nur mit einer ganz langen Leiter zu erreichen.
Die anderen Wände und das Schaufenster sind meiner Kunst vorbehalten – passend und die Erfüllung eines Traumes wohl jedes Künstlers. Möglich gemacht haben diese Traumumstände schnelles Handeln und die gerade noch erschwinglichen Mieten der Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften – ein wirklich vorbildliches Modell für soziales Wohnen. Direkt hinter dem Atelier liegt meine Wohnung mit Blick auf die Elbe und einer kleinen Gartenterrasse – kaum zu glauben dass ich mich mitten in der Innenstadt befinde.
Unter die Geräusche des Hafens mischen sich die Geräusche der Vögel, die die grüne Oase bevölkern – ein Traum, bei dem ich bei schönem Wetter das Atelier gegen die Terrasse tauschen kann, nur durch eine Tür getrennt. Ich blicke gespannt in die Zukunft und freue mich auf die vielen Besucher die meine Werke und mein Schaffen sehen wollen – in der Hoffnung nicht zu einer bloßen Touristenattraktion zu degenerieren. Dann fange ich an Eintritt zu nehmen, der beim Kauf eines Kunstwerkes auf den Kauf angerechnet wird – wie bei Harrys Hafenbasar im Hafenbecken nebenan.
Meine neue Anschrift:
Am Kaiserkai 29
Lilia Nour
Studiogalerie
20457 Hamburg