Morgengymnastik 3D
Morgengymnastik 3D

Seit ich mich mit der russischen Avantgarde beschäftige, erzeuge ich mit meinen neuen Werken für mich merkwürdige Reaktionen bei einigen deutschen Zeitgenossen: Mit einem leicht anklagenden Ton werden meine Bilder mit denen von Leni Riefenstahl verglichen. Seltsam für mich da ich erst durch dieses Feedback auf Leni Riefenstahl aufmerksam gemacht wurde. In meiner russischen Sozialisation kam dieser Aspekt deutscher Geschichte gar nicht vor, die Helden und Vorbilder meiner Jugend und Ausbildung waren zwar Zeitgenossen Riefenstahls, hatten aber ganz unabhängig – oder vielleicht auch doch nicht – ganz unabhängig voneinander eine ähnliche Bildsprache entwickelt. Es war eine Zeit in der Europa im Aufbruch war, überall waren die Menschen froh Krieg und Revolutionen überlebt zu haben, Fortschritt in allen Bereichen prägte trotz beginnender Depression den Optimismus der Menschen jener Zeit. Eine kurze Zeitlang erschien es den Menschen möglich das Utopien wahr werden könnten. Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit waren nicht nur hohle Phrasen sondern zum Greifen nah.

Majakowski II
Majakowski II

In Russland war das Gefühl unter den kreativen Kräften besonders ausgeprägt und Künstler wie Alexander Rodtschenko und Vladimir Majakowki brannten für die Ideale und schufen, prall voll kreativer Ideen, die Basis auch für heutige Ästhetik. Das sich dabei die Bildsprache im Vorwege zum Rückfall in die Barbarei beider Kulturen von Rodtschenko und Riefenstahl ähnelte mag Zufall sein, ihr weiteres Schicksal konnte unterschiedlicher nicht sein. Während Rodtschenko und Majakowski im Stalinismus kaltgestellt wurden und jeder auf seine Weise am Arbeiten gehindert wurde, arrangierte sich Riefenstahl mit dem Regime, wurde gar zur Ikone. Unbefangen und ohne Kenntnisse der speziellen Geschichte Riefenstahls konnte ich nur die ästhetische Qualität ihrer Arbeit beurteilen und teile dieses Urteil durchaus mit Größen wie Andy Warhol und Helmut Newton. In Russland hingegen schätzte man die Arbeiten von Majakowski und Rodtschenko nach Ende der Stalinistischen Ära wieder und die Russen haben in der Mehrheit auch ein entspannteres Verhältnis zu ihrer Vergangenheit als die Deutschen. Trotz das Stalin einen ähnlichen Blutzoll wie Hitler von den Menschen forderte ist der Umgang mit der dunklen Zeit ein anderer als in Deutschland. Trotz das es fast in jeder Familie Opfer des Stalinismus oder Sozialismus gibt erinnern sich viele doch auch gerne an das vielleicht auch nur gefühlte Geborgenheitsgefühl der Sowjetunion zurück.

Gymnastin
Gymnastin

Meine schönsten Jugenderinnerungen sind die an sozialistische Ferienlager, an die Vielzahl von Möglichkeiten, die einem Jugendlichen offen standen und die mich letztlich auch zur Malerei geführt haben. Nostalgie, schöngefärbt in der Erinnerung, mag man sagen – doch ich teile diese Erinnerung mit vielen Russen und es steckt auch ein Quentchen Suche nach einer besseren Welt darin, die zwar heute im Potenzial immer noch möglich ist, viele aber aus den Augen verloren haben in der Haltlosigkeit der modernen Gesellschaft. Die Welt die Menschen wie Majakowski und Rodtschenko vor Augen hatten, die aber wieder verloren ging und die wir heute suchen: Ich in der Malerei, andere auf ihre Weise. Ästhetik ist dabei ein Weg unabhängig von Ideologie und schlechten Gedanken.